Veröffentlicht in Bodhi Baum, Wien, 4/1983, S. 191-195.

Nachdruck im Mitteilungsblatt des SVNH, Bern, Juni 1986, S. 7-14 und Natürliches Heilen, Bern, 2/1990, S. 42-49.

Auch als Sonderdruck des SVNH herausgegeben.

 

Reinkarnation als Idee – und als Erfahrung

von Dr. Jan Erik Sigdell, Basel

 

1. Die Reinkarnationslehre

Die Reinkarnationslehre wird heute fast immer mit asiatischen Religionen verbunden, für welche sie eine Selbstverständlichkeit ist. Jedoch scheint im Grunde die Reinkarnationsidee von universeller Natur zu sein, denn es gibt keine große Religion, die sie nicht wenigstens einmal gekannt hat.

Die alten Ägypter haben Zeugnisse vom Reinkarnationsglauben zurückgelassen, wie auch mehrere bedeutende griechische Philosophen. Auch bei den Römern gab es Reinkarnationsgläubige, zum Teil von griechischen Einflüssen her.

Heutige Muslims lehnen zumeist die Reinkarnationsidee kategorisch ab, obwohl es sogar im Koran steht, dass „Gott erzeugt Wesen, und sendet sie immer wieder zurück, bis sie zu ihm zurückkehren”. Es hat in der Geschichte des Islam nicht an Sekten und Gelehrten gefehlt, die daran glaubten und schriftliche Zeugnisse davon ablegten.

In der jüdischen Kabbalah wird zum Teil offen und klar über die Reinkarnation gesprochen. Wir lesen zum Beispiel im „Zohar”, dass „alle Seelen gehen durch die Prüfungen der Seelenwanderung”. Im Buch „Bahir” lesen wir: „Was bedeutet: ,ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt'? Ein Gleichnis: Ein König hatte Diener und kleidete sie ... sie gerieten auf Abwege ... da warf er sie hinaus und stieß sie weg von sich und zog Ihnen seine Gewänder aus ... er ... nahm die Gewänder, wusch sie gut ... und warb sich andere Diener und kleidete sie in jene Gewänder ... So hatten sie denn Teil an Gewändern, die schon auf die Welt gekommen waren, und andere Leute hatten sie vor ihnen angezogen.” Professor Gerschom Scholem, der Kabbalah-Forscher in Jerusalem, kommentiert: „Dies Gleichnis ist auffällig” und erklärt, mit „Gewand” sei hier die Seele gemeint, die von verschiedenen Körpern „getragen” würde.

Hiermit gelangen wir zum Christentum, das ja durch Jesus aus dem Judentum entstanden ist. Es sollen hier nicht die vielen Zitate aus dem neuen Testament wiederholt werden, die schon so oft im Sinne der Reinkarnation gedeutet wurden. Vielmehr wollen wir hier wichtige historische Tatsachen aufgreifen, die nachfolgend punktweise zusammengefasst werden.

1. Bei den griechischen Kirchenvätern, haben mehrere offen den Reinkarnationsglauben vertreten. Einer der Bekanntesten war Origenes.

2. Im 4.-6. Jahrhundert fand so etwas wie ein Machtkampf zwischen griechischen und römischen Kirchenvätern statt. In diesem Zusammenhang wurde das Lesen der Schriften von Origenes verboten und es wurden Bannflüche gegen die Lehre der Präexistenz der Seele und ihrer Einkörperung ausgesprochen und schriftlich festgelegt.* [Fußnote am Ende]

3. Mit nicht sehr großer Mehrheit gewann die römische Seite. Dadurch verschwand auch der Reinkarnationsgedanke aus dem kirchlichen Christentum.

4. Es scheint, dass es bei dem Streit nicht primär um die Reinkarnation ging, sondern eben um Einfluss, ja Macht, der einen bzw. anderen Seite. Durch das Verdrängen der griechischen Kirchenväter verschwand, wie es scheint, eher „nebenbei”, die von ihnen zum Teil vertretene Reinkarnationsidee.

 

Wir finden Zeugnisse von Reinkarnationsglauben auch bei nord- und südamerikanischen Indianern, alten europäischen Religionen, afrikanischen Stämmen, Polynesiern, den Ureinwohnern Australiens und Neuseelands, und nicht zuletzt bei den Katharern. Wörtlich: Quer durch die Welt, quer durch Glaubensrichtungen aller Art. Die totale Ablehnung durch die christlichen Kirchen hat historische und zumindest geschichtlich gesehen politische Hintergründe, aber wohl keine biblischen, denn mir ist kein Bibelwort bekannt, das eine klare Aussage gegen die Reinkarnationsidee liefert. Bei dem, was dagegen angeführt werden mag, sind andere Deutungen ebenfalls möglich.

Die Frage der Realität der Reinkarnation ist im Grunde zweitrangig. An erster Stelle steht die Frage, ob der Mensch eine Seele hat, ein immaterielles Ich, das nach dem Tode ohne Körper weiter existiert und weiter bewusst bleibt. Erstens ist die Auffassung, dass der Mensch eine solche Seele habe, sozusagen die Existenzgrundlage der Religion überhaupt. Zweitens liegen in moderner Zeit bedeutende Indizien aus den Erfahrungen von vorübergehend klinisch Toten vor, auch wenn sie im wissenschaftlich strikten Sinne keine Beweise sind.

Gehen wir nun von der Existenz einer Seele aus, wird die Frage, ob es die Reinkarnation gibt oder nicht, bloß eine Frage der Zahl! Nach der einen Auffassung wohnt diese Seele nur einmal in einem Körper, nach der anderen mehrmals. Das Dogma, dass die Seele bei der Geburt oder bei der Zeugung erst erschaffen würde, ist offenbar eine spätere Erfindung der Kirche, um der Idee der Präexistenz der Seele mit irgendetwas entgegentreten zu können, wofür gemäß oben politische Motivationen vorgelegen haben dürften. Die Idee der körperlichen Wiederauferstehung erscheint erstens für jegliche Vernunft als vollkommen absurd – es wäre weitaus fantastischer, sich vorzustellen, dass schon längst im Grabe verwesene, verrottete, vermoderte und zum Teil sicher auch aufgefressene Leiber wieder heil und lebendig würden, als dass die Seele in einen neuen Körper, in einen neuen Mutterleib, einträte. Zweitens kann sie auch durch Bibelworte widerlegt werden. Im 1. Kor. 15, 35-44 steht: „Wie werden die Toten auferstehen, und mit welcherlei Leibe werden sie kommen? Du Narr: Was du säest, wird nicht lebendig, es sterbe denn.” ... „Und es gibt himmlische Körper und irdische Körper” ... „Es wird gesät ein natürlicher Leib, und es wird auferstehen ein geistiger Leib.” Wir sind zwar in unserem Teil der Welt kräftig dagegen vorprogrammiert, von der Kindheit auf. Und trotzdem wird uns wohl die Reinkarnationsidee als die natürlichste und einfachste dieser Alternativen vorkommen, falls wir uns mit diesem Gedanken erst befassen wollen. Sie bietet auch eine sinnvoll Erklärungsmöglichkeit für sonst zumindest scheinbare Widersprüche gegen unser Gerechtigkeitsempfinden: dass Kinder tot, krank, verkrüppelt oder geistig gestört geboren werden, dass so oft in dieser Welt der gute Mensch leidet und der Schuft das Leben genießen darf, und dass die Voraussetzungen, unter welchen Menschen aufwachsen und einen Lebensweg antreten, derart enorm ungleich sind.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen kirchlichem Dogma und der Reinkarnationslehre soll hier noch hervorgehoben werden. Das Dogma sagt: „Du hast nur eine einzige Chance; daraus ergibt sich für ewige Zeiten, ob Du in die Hölle oder in den Himmel kommst.” Darin steckt übrigens auch die indirekte Aussage, die Hölle sei ewig. Die enorm unterschiedlichen Voraussetzungen für individuelle Menschenleben reimen gerechtigkeitsmäßig in keiner Weise mit solchem Dogma. Die Reinkarnationslehre sagt: „Auch Du wirst zur Erlösung kommen, denn jeder wird es, es ist nur eine Frage der Zeit; der eine braucht dazu fünf Inkarnationen, der andere 2000.” Darin liegt für meine Gefühle eine Hoffnung, eine Gerechtigkeit, eine echte Göttliche Liebe für Seine Geschöpfe, die uns das harte und lieblose Dogma nicht vermitteln kann. Der verlorene Sohn wird einmal nach seinen Irrfahrten mit Liebe und Freude empfangen, keiner wird für immer von des Vaters Hause verbannt, niemandem ist die Türe verschlossen. Es erfordert allerdings Heimweh und echte Wandlung, um dorthin zurückzufinden, denn auch der als Heiliger Getarnte findet den Weg nicht. Das Geheimnis liegt im Herzen; es ist das „Geheimnis des Fuchses” in „Der kleine Prinz” (Kap. XXI) von Antoine de St. Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.”

 

2. Die Erfahrung früherer Leben

Es gibt verschiedene Methoden psychologischer Art, um visuelle und emotionale Erinnerungsbilder aus dem Unbewussten aufzurufen, die aus früheren Leben zu sein scheinen. Es ist nicht im wissenschaftlichen Sinne beweisbar, dass sie es sind, denn verschiedene alternative Erklärungsmöglichkeiten (ASW, Fantasie, Symbolerlebnis, ins Unbewusste verdrängte Information aus zum Beispiel Büchern, usw.) können nicht ohne Weiteres abgewiesen werden. Nicht einmal wenn erwiesen wird, dass die Person, als welche man sich gesehen hat, tatsächlich existierte, und dass die Angaben über sie richtig sind (was oft genug bei Nachprüfungen der Fall gewesen ist; es entfällt dann zum Beispiel die Fantasiehypothese, aber zum Beispiel außersinnliche Wahrnehmung bliebe noch möglich).

Auffallend sind aber die besonderen Beziehungen solcher Erlebnisse zur heutigen Person, und dass solche Beziehungen oft plausible Erklärungen für besondere Umstände im heutigen Leben liefern. Dies führt oft zu einer Einsicht über Ursache und Wirkung in Bezug auf ein Problem, zum Beispiel wenn dies auf ein Erlebnis meistens traumatischer Art im früheren Leben zurückzuführen ist, und nicht zuletzt zum Auffinden eines Ausweges aus dem Problem. Besonders markant ist es dann, wenn eine Angst oder Phobie im heutigen Leben schlagartig dadurch aufgelöst wird, dass ein entsprechendes Schlüsselerlebnis in einem früheren Leben in emotional beteiligter Weise bewusst wird. So haben Menschen sogar mit Sofortwirkung Angst vor dem Wasser verloren, wenn sie das Ertrinken in einem früheren Leben, mit den damaligen Angst- und Erstickungsgefühlen, wieder durchlebten – um nur ein einfaches Beispiel zu nehmen. Auch psychosomatisch bedingte Leiden wurden auf diese Weise überwunden – zum Beispiel: sofortige und anhaltende Befreiung von jahrelangen Kopfschmerzen durch das Wiedererleben einer schweren, tödlichen Kopfverletzung in einem früheren Dasein.

Solche Phänomene sind kaum mit etwa außersinnlichen Wahrnehmungen oder Fantasie abzutun, sondern höchstens als Symbolerlebnis (symbolhaftes Ausleben von etwas im Unbewussten). Das Letztere gerät aber dann ins Schwanken, wenn man feststellen kann, dass es die erlebte Person wirklich einmal gab. Es sind bereits oft genug nachgeprüfte Fälle beschrieben worden, wenn auch bisher, so weit ich weiß, nicht im Zusammenhang mit Leidbefreiung der genannten Art, sondern eher mit (hypothetischer) Reinkarnationsforschung an sich. Es liegt aber offenbar kein Grund vor, um anzunehmen, dass es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen historischen und therapeutisch wirksamen Erlebnissen geben sollte.

Besonders eindrücklich sind die Erfahrungen mit Blindgeborenen, die bis zum Rückschauerlebnis sich nicht einmal vorstellen konnten, was das Sehen ist, aber in der Rückschau sahen, was sie im früheren Leben gesehen hatten. Sie konnten visuelle Eindrücke von Farben und Formen beschreiben. Vor der Rückschau haben diese naturgemäß nie bildhaft geträumt – nachher haben sie es alle. Solche Fakten sind meines Erachtens starke Indizien für die Reinkarnationshypothese, wenn auch keine Beweise. Es scheint sogar so zu sein, dass die Reinkarnation auf diese Weise nicht beweisbar ist, weil nie Alternativerklärungen für die Erlebnisse mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Wir können sagen: die Reinkarnation ist erfahrbar, aber nicht beweisbar.

Wie der Mechanismus erwähnter Wirkungen zu sein scheint, mag an einem in ähnlicher Form mehrfach da gewesenen Beispiel erläutert werden. Eine Frau wird trotz bewusstem Wunsch und medizinischen Bemühungen jeder möglichen Art nie schwanger, obwohl ein organischer Fehler nicht vorliegt. Sie erlebt in einer Rückschau, wie sie in einem früheren Leben beim Gebären qualvoll stirbt. Das Kind liegt falsch oder der Geburtskanal ist zu eng, und es gab noch keinen Kaiserschnitt. Nach vielen Stunden von Höllenqualen platzt die Gebärmutter oder gar der Bauch selbst, und die Frau verblutet und wird endlich durch den Tod erlöst. Innerhalb von zwei Monaten nach dem Rückschauerlebnis ist die Frau schwanger und ein Jahr später Mutter. Der Mechanismus scheint wie folgt zu sein: Die unbewusste Angst davor, so etwas noch einmal durcherleben zu müssen, führt zu einer Art psychosomatischer Verkrampfung, die die Empfängnis verunmöglicht. Der Körper weigert sich einfach, sich wieder einer solchen Gefahr auszusetzen. Nach dem Bewusstwerden der Ursache, nach Durcherleben der Schlüsselsituation, löst sich diese Verkrampfung. Die im Unbewussten emotional betonte Angst kann nach dem Bewusstwerden rational relativiert werden, mit der Einsicht, dass eine Wiederholung der Situation praktisch unmöglich ist. Somit weichen die Wirkungen. Dafür scheint es notwendig zu sein, dass die Rückschau genügend emotionsgeladen ist. Bloßes unbeteiligtes Betrachten von Erinnerungsbildern bringt nicht diese Wirkung. Dies ist freilich eine Hypothese. Wir können nicht ausschließen, dass eine anderweitig begründete Angst in Symbolform ausgelebt und somit gewissermaßen „erledigt” wurde. Doch erscheint mir dies in Hinsicht auf Religion, Philosophie und Tatsachen nachgeprüfter Fälle als weniger wahrscheinlich, wollen wir uns nicht an ein materialistisches Weltbild klammern. Und doch kommen bei Rückschaubemühungen Symbolerlebnisse auch vor, aber meines Erachtens weniger häufig (aufgrund der Zielsetzung).

Solche Rückschauerlebnisse wurden bereits im vorigen Jahrhundert durch Hypnose hervorgerufen. Heute stehen hierfür verschiedene nicht-hypnotische Methoden zur Verfügung. Damit sind Methoden gemeint, die das Bewusstsein wach bleiben lassen, ohne die für klassische Hypnose typische Einengung oder Einschläferung des Bewusstseins. Zwar bezeichnet noch heute die Schulpsychologie jede Art absichtlich erzeugter Bewusstseinsveränderung als Hypnose, was aber nach meiner Meinung unrichtig ist. Erstens macht es doch einen wesentlichen Unterschied, ob das Bewusstsein ganz oder teilweise schläft, sodass die Person diejenige ist, als die sie sich erlebt; oder ob es voll wach ist, eventuell sogar noch wacher als normal (was mit EEG-Studien bestätigt werden kann), und sich bewusst als die erlebte Person beobachtet, visuell und emotional. Dass man sich im letzteren Fall von Gefühlen ergreifen lässt, deutet nicht auf Reduktion des Wachbewusstseins, denn das kann ja auch im Kino, vor dem Fernsehen oder in einem Gespräch bei vollem Bewusstsein geschehen. Zweitens bedeutet das griechische Wort „hýpnos” eben „Schlaf”. Wenn bei vollem Wachsein des Bewusstseins des heutigen Ichs Vergangenes als lebhafte Erinnerungsbilder hervorgerufen wird, müsste dies schon aus etymologischen Gründen anders bezeichnet werden, statt es „in den gleichen Topf zu werfen”. Man könnte dabei von „Agripnose” sprechen (ágripnos= Wachsein).

Ein bewährtes „agripnotisches” Verfahren ist die „time-lapping technique” von Bryan Jameison (USA), das von dem Verfasser verwendet und unterrichtet wird.

Was ist nun – neben der Hilfe bei persönlichen Problemen – das Bild der Reinkarnation, das sich durch solche Erfahrungen abzeichnet? Einige Schwerpunkte sollen nachfolgend kurz gefasst aufgeführt werden.

 

Es scheint an erster Stelle darum zu gehen, durch viele Leben hindurch die uneingeschränkte Liebe zu lernen. Es scheint, dass Disharmonie zwischen Menschen, oder gar Wesen überhaupt, restlos in Harmonie gewandelt werden muss, in Liebe über alle Schranken hinweg, bevor ich aus dem „Rad der Wiedergeburt” befreit werden kann. Solange es eine Seele gibt, die ich noch irgendwo in mir hasse oder verachte, muss ich mit dieser in inkarniertem Zustand wieder zusammenkommen, bis diese Emotionsstörung überwunden ist und wir uns verkörpert in Freundschaft oder gar Liebe versöhnt haben.

Wir müssen hierdurch lernen, dass alle Menschen gleichermaßen unsere Geschwister sind. Soziale und nationale Schranken sind Machwerke, Rassenunterschiede sind nur Körpermerkmale. Wir inkarnieren immer wieder in einer anderen Rasse, in einer anderen sozialen Schicht, in einer anderen Kultur, als das andere Geschlecht oder auf der anderen Seite der feindlichen Linie. Als Beispiel zum Letzteren, finden wir heute viele Jugendliche, die im letzten Leben im Zweiten Weltkrieg gefallen und nun „auf der anderen Seite” geboren sind. Wir machen es uns im Bewusstsein furchtbar schwer damit, den „Feind” lieben zu lernen, und so müssen wir es auf diese Weise konkret erfahren.

Somit vereinigen sich christliche und buddhistische Grundwerte in der Erfahrung aus der Reinkarnationsforschung.

Es herrscht im Buddhismus und im Hinduismus die Meinung, dass man auch als Tier oder Pflanze inkarnieren könne. Vor allem im tibetischen Buddhismus heißt es: Du bist meistens als Tier oder Pflanze hier, und wenn Du nun die seltene Gelegenheit hast, als Mensch (im „kostbaren Menschenkörper”) hier zu sein, solltest Du sie gut nutzen, um weiterzukommen.

Die Reinkarnationsforschung kann vor allem die letztere Behauptung soweit nicht bestätigen. Wir sind demnach zumindest meistens Menschen. Es gibt bisher keine klaren Befunde, die auch auf Möglichkeiten von Inkarnationen als Tier oder Pflanze hinweisen. Der Mangel an solchen Erfahrungen beweist allerdings nicht ihre Unmöglichkeit. Somit kann man demnach höchstens sagen, dass, falls eine Seele von einem Menschenkörper in zum Beispiel einen Tierkörper übergehen kann, dies eher eine Seltenheit zu sein scheint.

 

Was unter dem Begriff „Karma” häufig als „Strafe” verstanden wird, erweist sich als Belehrung. Es ist nicht zur Strafe, dass wir durch bestimmte Erfahrungen geführt werden, sondern um daraus das zu lernen, an dem es bei uns mangelt. Wir werden geschult, nicht geschlagen, aber die Schule muss oft hart sein.

Wir finden, dass die größte Auswirkung auf das heutige Leben meistens von einem Leben kommt, das 3 bis 5 Inkarnationen zurückliegt, seltener vom letzten Leben und in einigen Fällen von Leben, die noch viel weiter zurückliegen. Es wechseln sich Erfahrungsthemata in der Reinkarnationsfolge ab. Was ich dieses Mal zu lernen habe, ist oft etwas anderes, als im letzten Leben, aber hat vielleicht mit dem zu tun, was ich vier Leben zurück habe lernen müssen – aus den Erfahrungen, die ich damals machte. Das damals nicht Abgeschlossene wird heute fortgesetzt. Darum ist die Wirkung von jenem Leben die größere. Die Weiterführung der „Erfahrungsschulung” zu diesem Thema kann aber dieses Mal in anderer Form verlaufen, unter Umständen sogar als Gegensatz. Der Erfahrungsweg kann vom Kriegerischen zum Pazifismus, von Liebe zu Hass wechseln, um das ausgewogene Gleichgewicht zu erstreben. Wer zum Beispiel in seiner Liebe zum Mitmenschen zu naiv oder vielleicht doch diskriminierend ist, wird oft auch das Hassen erfahren müssen, um durch den Gegensatz ein tieferes Verständnis für die Liebe zu gewinnen. Solche Beispiele wurden schon beobachtet.

Irgendwo wählen wir die Inkarnation, obwohl das Wiedergeborenwerden zumeist für das bewusste Ich als Zwang empfunden wird, als etwas, dem man lieber entgehen möchte. Erstens wählen wir durch unsere Taten. Wir wählen, unserem Bruder den Dolch in den Rücken zu jagen, statt ihn liebevoll zu umarmen; dem armen Leidenden einen Tritt zu geben, statt ihm die helfende Hand zu reichen. Das Ego ist kurzsichtig und glaubt, es wäre damit genug. Jedoch haben wir uns damit auch für die Folgen dieser Taten entschieden, ob wir wollen oder nicht. Eine Seele mehr, mit der ich später mal die Versöhnung erreichen muss. Ein Fehlverhalten mehr, das Korrektur durch Erfahrung verlangt. Somit werden spätere Inkarnationen vorprogrammiert, ein weiterer Bedarf für Inkarnationserfahrung wird geschaffen, eine Rechnung mehr muss beglichen werden, und ich füge von vornherein weitere Inkarnationen an die Reihe. Ich nehme mir durch kurzsichtiges Verhalten, ohne es dabei einzusehen, noch sehr viel vor, das alles noch restlos erledigt werden muss. Im wahren Ich, im höchsten Bereich meines unbewussten Wesens, weiß ich dies genau, und von dort aus führe ich mich in die entsprechende harte Schulung. Auf dieser Ebene ist die Inkarnation gewählt, aber dem Ego erscheint sie als aufgezwungen.

Viele werden Begierden und Triebe erst dadurch los, dass sie diese bis zur Sättigung ausleben. Das ist bestimmt nicht der ideale Weg, aber ein nicht selten beobachteter. Wer nicht auf andere Weise zur Einsicht kommt, schlägt manchmal diesen langen Weg ein, der auch Nebenfolgen haben kann, weil disharmonische Beziehungen zu Mitseelen entstehen können, die dann auch noch bereinigt werden müssen. Der oft beobachtete Wechsel von einer Rasse zur anderen, von einer Kultur zur anderen, von einem Kontinent zum anderen, widerspricht einer alternativen Erklärungshypothese: Die der genetischen Übertragung. Sehr oft war man auch im letzten Leben eine Person, vielleicht noch vor 50 Jahren, mit der es auf gar keine Weise eine verwandtschaftliche Beziehung geben kann. Als extremes Beispiel: heute Deutscher, vor 50 Jahren Indianer am Amazonas, oder Chinese. Auch müsste bei der genetischen Übertragungshypothese die Erinnerung dort abbrechen, wo die genetische Linie durch Zeugung abzweigt, aber das wird nie beobachtet. Die Erinnerung setzt sich bis zum Tode und danach fort.

Die Methode von Jameison zur Erlangung dieser Rückschau wird übrigens auch zur direkten Kontaktnahme mit dem Unbewussten, vom eigenen Bewusstsein aus, eingesetzt. Hierdurch erhalten wir Erklärungen zu Problematik (auch gesundheitlicher Art), Hinweise auf Auswege und nicht zuletzt wichtige Angaben zum Sinn und Zweck dieser aktuellen Inkarnation: Was soll ich dieses Mal lernen, erfahren oder tun, und wie kann ich am besten damit fertig werden? Auf diesem Wege lässt sich auch bei Verdacht abklären, inwiefern ein erschautes Erlebnis wirklich aus einem früheren Leben war, oder eventuell doch symbolhafter Natur. Wie bereits erwähnt, kommt das Letztere auch vor, obwohl hierbei viel öfter die Echtheit der Rückschau vom Unbewussten aus bestätigt wird.

Mit solchen Methoden haben wir wertvolle Mittel zur Hand, um uns selbst kennenzulernen und Klarheit über die Problematik zu gewinnen. Sie unterstützen durch eigene Erfahrung die Reinkarnationsidee, obwohl sie diese nicht beweisen können. Die Echtheit der Rückschau wird aber dann zweitrangig, wenn man hieraus echte Hilfe gewinnt. Sie ist gleichwohl eine bedeutende philosophische Fragestellung, die heute nicht geklärt werden kann. So weit können wir nur auf diese Erfahrungen hinweisen, die als nicht mehr als Indizien gewertet werden können.

 

Anschrift des Verfassers:

[nicht mehr gültige Adresse in Basel]

 

Literatur

 

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* Nachtrag beim Einscannen im Januar 2001: Diese Zusammenhänge sind inzwischen durch vertiefte Nachforschung besser geklärt worden. Der Machtkampf fand zwischen Vertretern der urchristlichen und eher gnostischen Auffassung und den Vertretern (zuerst Konstantin) der weltlichen Macht statt, welche die Kirche zum Machtinstrument gebrauchen wollten. Im 6. Jahrhundert kam es zu einem entscheidenden „Sieg” der weltlichen Macht unter dem Kaiser Justinianus.