Utan Gräns [“Grenzenlos”, Schweden] 4/1999, S. 23-25 – übersetzt
Das Karma ist nicht alles
von Jan Erik Sigdell, Slowenien
Eine Erklärung für sowohl Leid wie auch Wohlergehen, die in östlichen Religionen
wie auch in westlichen esoterischen Lehren verbreitet ist, ist das Karma. Wir
müssen ernten was wir in einem früheren Leben, manchmal auch im heutigen Leben,
gesät haben.
Wenn es so ist, stellt sich eigentlich die Frage, ob wir eingreifen und
versuchen sollen, leidenden Menschen zu helfen. Nehmen wir dann nicht einen Teil
von dem Weg, was ihre Seelen gerade lernen? Ist dann Hilfe nicht eine Art, wie
sie “die Schule schwänzen” können? Manchmal denkt man tatsächlich so in
östlichen Kulturen und zögert dann, zu helfen. Diejenige, die im Westen den
Reinkarnationsgedanken zurückweisen, greifen oft das als Argument auf und wollen
damit den Gedanken als unmenschlich und lieblos erscheinen lassen.
Unterlassenheitstat
Dies ist ein Missverständnis. In Wirklichkeit ist es so, dass die Lektion des
Leidenden nur dadurch vertieft werden kann, dass er durch Hilfe und Mitgefühl
die Liebe erfahren darf, zu der er selbst vorher nicht fähig war! Außerdem
können wir dadurch, dass wir nicht helfen, wo wir es hätten tun können, uns ein
eigenes Karma als Folge solcher Unterlassenheitstat machen!
Aber ist dann das Karma die einzige Ursache für Leid, Schwierigkeiten und
Probleme? Erfahrungen durch die Regressionstherapie geben ein erweitertes Bild
von den Ursachen. Es ist zwar wahr, dass das Karma eine Hauptursache ist, aber
es gibt auch mehrere “Nebenursachen”.
Schuldgefühle
Eine solche Ursache ist, dass tief in unserem unbewussten Ich alte und ebenfalls
unbewusste Schuldgefühle verborgen liegen, die wir aus unserer Vergangenheit
mittragen. Diese sind von drei Arten:
Schuldgefühle, die einmal berechtigt waren
Eingeredete Schuldgefühle
Schuldgefühle, die wir aus Irrtum auf uns genommen haben
Schuldgefühle, die einmal berechtigt waren, entstanden dadurch, dass wir Unrecht
taten oder Leid verursachten. Sie sind möglicherweise immer noch berechtigt,
wenn wir auf der Seelenebene (denn dies ist ja normalerweise unbewusst) immer
noch nicht umgedacht, unseren Fehler eingesehen und wiedergutgemacht haben. Aber
es ist in der Tat ziemlich gewöhnlich – allzu gewöhnlich – dass wir immer noch
alte Schuldgefühle mit uns tragen, die wir wirklich nicht mehr zu haben
brauchen. Wir haben schon längst gesühnt, gelernt, umgedacht und kompensiert,
aber irgendwo in unserem Inneren glauben wir, die Schuldgefühle doch noch haben
zu müssen – nur deshalb, weil sie da sind. Es ist ihre Aufgabe, uns zum Umdenken
zu bringen, oft dadurch, dass wir durch sie lehrreiche Erfahrungen “an der
eigenen Haut” anziehen. Aber in dem Fall haben sie ja diese Aufgabe schon
erfüllt und es wird zu einer Art von Teufelskreis: Weil ich die Schuldgefühle
habe, glaube ich, dass ich sie immer noch haben muss.
Solche überflüssig gewordene Schuldgefühle führen leider allzu leicht dazu, dass
wir uns eine Lektion wiederholen, die auch noch überflüssig ist. Wir ziehen uns
noch eine Lektion “an der eigenen Haut” an, obwohl sie nicht mehr sein muss. Es
ist in einer Rückführungstherapie deshalb sehr wichtig, solche Schuldgefühle
aufzudecken und aufzulösen.
Aufdecken und loslassen
Aber ein Schuldgefühl kann auch von Anfang an falsch sein. Es geschieht, dass
wir uns von der Umwelt her ein Schuldgefühl einreden lassen, obwohl es nicht
unsere Schuld war. Oder auch, dass wir von selbst aus die Schuld für z.B. einen
Unfall auf uns nehmen, den wir nicht haben verhindern können – und dann war es
doch nicht unsere Schuld! Solche irrtümliche Schuldgefühle sind ebenso wichtig
aufzuspüren und loszulassen!
Eine andere Ursache für unnötiges Leid ist, dass wir uns selbst nicht mögen. Es
ist gar nicht so selten, dass wir irgendwo unterwegs damit aufhörten, uns selbst
gern zu haben! Dies kann ein Folgeeffekt – wie eine Nebenwirkung – eines
Schuldgefühls sein, oder einfach daher kommen, dass man sich als Kind als
unerwünscht empfand. Die Erfahrung zeigt, dass vielleicht die Hälfte aller
Kinder mit dem Gefühl geboren werden, mehr oder weniger unerwünscht und
ungeliebt zu sein. Das fängt nicht selten schon im Bauch der Mutter an. Die
Seele, die mit dem Fötus verbunden ist, weiß ja sehr wohl, ob die Mutter sich
freut, oder ob sie wegen der Schwangerschaft sauer, traurig oder enttäuscht ist
und wünscht, sie hätte das Kind nicht (vielleicht denkt sie sogar an eine
Abtreibung). Die Rolle des Vaters ist natürlich ebenfalls wichtig, aber nicht
gleichermaßen, da das Kind nun einmal nicht in seinem Bauch ist, sondern in dem
der Mutter, und das ununterbrochen neun Monate lang, ob es will, oder nicht …
Das kann dann in der Kindheit fortsetzen. Das Kind fühlt sich immer noch nicht
geliebt, sondern als eine Bürde für die Familie. Auch wenn sein bewusstes Ich
alles drum herum noch nicht richtig verstehen kann, versteht es seine Seele, und
das manchmal sogar besser als die Eltern … So etwas führt nicht selten dazu, das
man unbewusst aufhört, sich selbst gern zu haben. Und dann wird es allzu leicht
so, dass man – ebenso unbewusst – meint, es nicht wert zu sein, dass es einem
gut geht und man Erfolg hat, oder man glaubt z.B. nicht, für einen guten und
liebevollen Partner gut genug zu sein.
Schlechtes Selbstvertrauen
Ähnliche Auswirkungen hat ein schlechtes Selbstvertrauen, das oft auch die
Ursache in der Kindheit hat. Man schimpfte z.B. auf das Kind, wenn etwas schief
ging, aber lobte es nie, für was es gut tat. Allzu oft hat es hören müssen:
“Lass das, sonst machst du etwas kaputt!”, “Das kannst du doch nicht!”, “Kannst
du denn nie etwas richtig tun!?”, “Du taugst doch zu gar nichts”, und Ähnliches.
Ängste
Weitere Ursachen für unnötige Probleme sind Ängste. Wir ziehen tatsächlich allzu
leicht gerade das an, was wir fürchten! Oder wir komplizieren uns unnötig unser
Leben wegen Ängsten, die wir nicht haben müssen. Wir können uns dadurch sogar
Krankheiten anziehen, eben weil wir sie fürchten!
Ängste, sich selbst nicht gern zu haben und schlechtes Selbstvertrauen sind auch
Aspekte, die wichtig sind, in Rückführungen zu beachten. Es ist natürlich so,
dass Karma auch hier eine Rolle spielt, weil es hier um Folgen davon geht, was
wir an der eigenen Haut haben erleben müssen, weil wir einmal Anderen Ähnliches
antaten – z.B. wenn Kindheitserlebnisse die Ursache solcher Probleme wurden,
oder wir etwas Schreckliches erlebten, aus dem die Angst entstand. So, wie wir
selbst Kinder behandelten, werden wir später von eigenen Eltern behandelt, bis
wir endlich verstehen, ein Kind mit Liebe entgegenzunehmen und ihm Nähe und
Zärtlichkeit zu geben. Diese Einsicht kann in einer Rückführung bewusst werden,
sodass weitere diesbezügliche Lektionen nicht mehr benötigt werden.
Unbequeme Einsicht
Es gibt aber noch weiter Ursachen für Leid. Wer leidet, kann – immer noch
unbewusst – in dieser Weise Aufmerksamkeit und Zuwendung der Umwelt bekommen
(obwohl diese doch nicht echt sind, da sie mehr aus einem Pflichtgefühl heraus
als aus dem Herzen kommen). Oder man will sich einer unbequemen Einsicht
entziehen, die nötig wäre, um aus dem Leid herauszukommen. Man kann sogar die
Umwelt erpressen, oder ihr zeigen wollen: “Schaut, was ihr aus mir gemacht
habt!” Solche im Grunde selbstbetrügliche aber unbewusste Motivationen, um sich
leiden zu lassen – sozusagen aus Bequemlichkeit oder mit unbewusster Berechnung
– kann in einer Rückführung ebenfalls aufgedeckt und aufgelöst werden.
Verzeihen
Die wichtigste und am Ende einzige wirksame “Medizin” ist Liebe, Mitgefühl und
Versöhnung. Das Letztere – verzeihen und verziehen werden – ist eine besonders
wichtige “Medizin”. Wenn wir verzeihen können, ist es endgültig vorbei und wir
haben dann das Problem wirklich hinter uns gelassen. Aber tragen wir in uns
immer noch Hass, Groll, Zorn oder Anklage, halten wir auch am Problem fest. Eine
Ursache für Leid kann auch sein, dass man nicht verzeihen will! Dann leidet man
lieber …
Geerbte Gefühle
Eine besondere und traurige Ursache für eine Haltung im Leben, woraus zumindest
indirekt schmerzliche Situationen entstehen können, ist, dass man in der
Kindheit die Angst der Eltern und ihre Hilflosigkeit in Bezug auf Gefühle und
Berührung “geerbt” hat. Es ist leider gar nicht ungewöhnlich, dass die Eltern
Gefühle (andere als die negativen …) nicht zeigen konnten und gegen
Körperkontakt Vorurteile hatten. Solche negative Muster werden leicht von
Generation zu Generation “vererbt”. Hier ist es wichtig, dass wir aus
einer solchen unglücklichen “Tradition” ausbrechen und uns öffnen können, und
unseren Kindern positive Gefühle zeigen und ihnen den Körperkontakt geben, der
für ihre seelische Gesundheit so wichtig ist.
Positive Gefühle zeigen
Es ist ja besonders um die Liebe zu lernen, dass wir reinkarnieren. Sie scheint
für viele eher Theorie als Praxis zu sein. Die Praxis besteht darin, seine
positiven Gefühle für andere auch zu zeigen, wozu auch der Körperkontakt mit den
Nächsten gehört (in der Partnerschaftsbeziehung auch die Sexualität als höchste
Form der Nähe). Die Liebe äußert sich auch in echter Verzeihung.
Buddha soll einmal gesagt haben: “Betrachte jeden, der dir wehtut, als deinen
Lehrer”. Wir können davon ausgehen, dass wenn jemand uns etwas antut, bekommen
wir eigentlich nur zurück, was wir einmal selbst anderen getan haben. Wenn wir
es so betrachten, können wir verzeihen! Denn trotz allen “Nebenursachen” ist
doch noch irgendwo eine Grundursache ein Karma, das wir uns irgendwo unterwegs
gemacht haben. Es ist nur so, dass wir es uns unbewusst nur noch mehr
komplizieren und manchmal immer noch in alten Spuren weiterfahren, die wir schon
längst hätten verlassen können.
Nicht verzeihen zu wollen und vielleicht statt dessen Rache zu suchen, ist eine
allzu gewöhnliche Weise, es sich nur noch komplizierter zu machen! Von Gefühlen
auf der emotionalen oder körperlichen Ebene zurückzuschrecken ist eine Weise, in
alten Spuren weiter zu fahren. Einige tun dies aus einer unbewussten Angst
heraus, verletzt werden zu können. Aber auf diese Weise die Liebe von sich zu
halten bedeutet doch, dass wir ständig uns selbst verletzen! Es ist nur so, dass
wir uns derart daran gewöhnt haben, dass wir es fast nicht mehr merken.