Zirkelschlüsse in der Reinkarnationsfrage Siehe auch meine Kommentare zum Artikel
„Reinkarnationsglaube und Reinkarnationstherapie: transpersonale Fiktion”
von Michael Schröter-Kunhardt Die “wissenschaftliche” Haltung Fantasien der Rückführungsgegner. Was beweisen provozierte
Pannen? Das seriöse Prüfen von Hypothesen Ein
Zirkelschluss oder Zirkelbeweis ist eine Überlegung, die zumindest indirekt vom
erwünschten Ergebnis ausgeht und deshalb zum vorgefassten Schluss kommt.
Deshalb ist dadurch nichts anderes bewiesen, als Voreingenommenheit. Es
wird den Reinkarnationsgläubigen vorgeworfen, subjektiv zu sein und sich einer illusorischen
Weltvorstellung hinzugeben, die Lebensfragen nur scheinbar beantwortet. Man
habe in östlichen Religionen etwas gefunden und es bereitwillig aufgelesen –
obwohl erwiesenermaßen östliche Religionen und Philosophien kein
geschichtliches Monopol auf den Reinkarnationsglauben haben, sondern es gab
diesen Glauben in alten Zeiten fast überall und auf allen Kontinenten in der
Welt, auch in Kulturen und Religionen, die mit östlichen Glaubensformen nichts
zu tun hatten – sogar im gnostischen Frühchristentum. Ein ähnlicher Vorwurf kann aber den
Reinkarnationsgegnern gemacht werden. Sie gehen von einem vorgefassten Weltbild
aus und wollen keine alternativen Weltbilder zulassen, wie logisch sie an sich
auch sein mögen. Dann überlegen sie von dieser subjektiven Auffassung aus und
kommen zum erwünschten Schluss, womit sie (wenn auch nicht immer so explizit
ausgesprochen) ihre vorgefasste Meinung als erwiesen sehen. Die
“wissenschaftliche” Haltung Eine
vorgefasste Meinung ist, dass das von der Schulwissenschaft diktierte Weltbild
die letzte Wahrheit sein muss, und es könne keine andere geben. Und das, obwohl
die Geschichte eine ganze Reihe von Weltbildwandlungen aufzuzeigen hat, die
infolge neuer Entdeckungen schließlich unumgänglich wurden. Aber wer sich diesem
Diktat hingibt, wird wohl meinen, dass in der Zukunft keine weiteren umwerfenden
Entdeckungen möglich seien, und dass wir nun wirklich alles von Welt und Kosmos
wissen – es bliebe nur übrig, Einzelheiten aufzuklären. Dementsprechend verfassen manche Reinkarnationsgegner
wortreiche Darstellungen, die nach Abschälen aller philosophischen,
psychologischen und evtl. physikalischen Ausschweifungen sehr kurz
zusammengefasst im Prinzip auf das folgende hinauslaufen: Die Reinkarnation ist
nicht möglich – deshalb kann sich niemand an ein früheres Leben erinnern –
“Erinnerungen” sind völlig anders zu erklären – deshalb gibt es keine
Reinkarnation. Oder auch etwa: Es gibt keine an sich körperunabhängige Seele
– es gibt dann nichts, das reinkarnieren könnte – deshalb gibt es keine
Reinkarnation – das bestätigt, dass es keine Seele gibt. In
solchen Bemühungen um mit dieser Anschauungsweise recht zu haben wird immer
wieder die Rückführungstherapie angegriffen. Dabei richtet man sich praktisch
nur auf die hypnotische Rückführung ein und lässt die modernere
nicht-hypnotische Vorgehensweise meistens aus. Die Heilerfolge der
Reinkarnationstherapie werden als etwa Placeboeffekt heruntergespielt bzw.
nicht beachtet. Man schreibt von einem suggestiven Vorgehen, das zu künstlich
hervorgerufenen Ergebnissen führen würde. Das ist aber nicht die Vorgehensweise
einer modernen seriösen Reinkarnationstherapie, die eine Rückkehr zu den
Wurzeln des Problems erstrebt, offen lassend, wo diese Wurzeln in der
Vergangenheit liegen mögen. Da taucht nicht selten ein Kindheitserlebnis im
heutigen Leben erst auf. Aber immer wieder etwas, ohne es so vorgegeben zu
haben, das nach einem früheren Leben aussieht und auch als ein solches erlebt wird. Nun
meinen wohl jene Gegner, dass der Therapeut sofort eingreifen sollte und sagen:
“Das ist Unsinn, es gibt kein früheres Leben. Bleibe bei der Wahrheit!” – und
so den Therapieerfolg vereiteln. Aber der seriöse Therapeut lässt selbstverständlich
alles zu, denn er weiß aus Erfahrung, dass gerade in dem, das so auftaucht,
höchst wahrscheinlich ein Hauptschlüssel zur Lösung des Problems liegen
dürfte. Man
greift auch die Reinkarnationsforschung von Stevenson, Haraldson und anderen an,
die Fälle von Kindern studiert haben, welche sich angeblich an eine frühere
Existenz erinnern. Das Phänomen wird damit wegerklärt, dass diese Fälle
vorwiegend in einer kulturellen Umgebung auftreten würden, in welcher man
ohnehin an die Reinkarnation glaubt. Dadurch sei dies auf einen suggestiven
Einfluss der Umwelt zurückzuführen. Man beachtet aber gar nicht die ebenfalls
gültige Umkehrung dieser Behauptung: Dass solche Phänomene in einer zur
Reinkarnation negativ eingestellten Umgebung deshalb viel seltener auftreten,
weil die Kinder dort einem negativen suggestiven Einfluss ausgesetzt sind.
Eltern wollen von solchen Dingen nichts wissen, denn “was sollen dann die Leute
sagen”, halten dem Kind an, solchen Unsinn nicht mehr zu reden und prägen ihm
ein, dass es alles nur Fantasie sei. Das Kind wird dort also eher eingeschüchtert
und solche Fälle werden unter den Teppich gewischt. In einer
reinkarnationsfreundlichen Umgebung werden einfach solche Äußerungen von
Kindern eher ernst genommen, in einer reinkarnationsfeindlichen bringt man die
Kinder eher zum Schweigen. Unter solchen Umständen werden Fälle meistens nicht
bekannt. Trotzdem hat Stevenson Fälle in der westlichen Welt sogar in Familien
gefunden, in welchen man nicht an die Reinkarnation glaubt. Die Reinkarnationsgläubigkeit in z.B.
Indien hat nicht immer einen so suggestiven Einfluss, wie man es darstellen
will, da man bei solchen Spontanerinnerungen Probleme befürchtet, u.a., weil der Aberglaube herrscht, sie würden einen frühen
Tod des Kindes voraussagen. Und wenn nun einmal ein Kind tatsächlich
fantasieren
sollte, beweist das ja in keiner Weise, dass es immer so sei. Es dürfte sich
dann eher um eine Ausnahme handeln (sozusagen “die Ausnahme, die die Regel
bestätigt”). Die Behauptung, dass Kinder mit Rückerinnerungen besonders
suggestibel seien ist in einer Untersuchung von Professor Erlendur Haraldsson
widerlegt worden [1]. Er kommt zum gegenteiligen Ergebnis. R.A. Baker führte 1982 eine experimentelle
Untersuchung durch. Probanden wurden in drei Gruppen eingeteilt. In der einen
ließ man eine reinkarnationsfreundliche Atmosphäre schaffen, in der zweiten
eine neutrale und in der dritten eine reinkarnationsfeindliche. Dann wurden
hypnotische Rückführungen durchgeführt. In der ersten Gruppe traten in
Rückführungsexperimenten viele “frühere Leben” auf, in der zweiten mehrere, in
der dritten nur zwei, und zwar bei Personen, die ohnehin selbst an die
Reinkarnation glaubten [2]. Damit sollte der suggestive Einfluss erwiesen sein
– eine ziemlich subjektive Deutung. Nach meiner Meinung ist dadurch eher
nachgewiesen, dass eine zur Reinkarnation positive Atmosphäre für das
Auftreten
solcher Phänomene förderlich ist, d.h., sie kommen leichter und freier hervor,
und eine negative Atmosphäre wirkt hemmend, d.h., unterschwellige Erinnerungen
werden durch die Umstände eher zurückgehalten bzw. verdrängt. Gewissermaßen
eine experimentelle Bestätigung des vorher über Erinnerungen von Kindern
Gesagten. Wie man sieht, werden auch experimentelle Untersuchungen tendenziös
ausgewertet, nämlich sehr nach dem Glauben des Experimentators zurechtgelegt. Es
stimmt schon, dass man in der Hypnose vieles suggerieren kann, was irreal und
fantasievoll ist. Der Einwand trifft aber viel weniger auf das
nicht-hypnotische Vorgehen zu. Da machen wir immer wieder die Erfahrung, dass
wenn man dem Klienten etwas aus der Vermutung heraus vorschlägt, er oder sie
sagt: “Nein so ist es nicht, aber …”. Es ist natürlich gar nicht zu leugnen,
dass in manchen Rückführungen auch Fantasievolles auftritt, dann aber eher mit
symbolischen Inhalten, die, richtig ausgewertet, für die Problemlösung auch von
Bedeutung sind. Aber daraus schließen zu wollen, dass alles bloß Fantasie sei,
ist eine logisch unzulässige Verallgemeinerung! Das Gleiche trifft für die
Abfertigung als Kryptomnesie zu. Auch wenn es tatsächlich kryptomnestische
Fälle gibt, beweist das in keiner Weise, dass es sich immer oder meistens um Kryptomnesie handeln würde. William Bryan hat ein anderes Experiment
durchgeführt. Er sprach vor dem Experiment mit Probanden über Massaker und
Klapperschlangen, und prompt “ersannen sie” in der Rückführung dazu passende
Erlebnisse [2]. Was beweist das? Dem Reinkarnationsgegner natürlich nur, dass
es sich um einen suggestiven Einfluss handeln würde. Wenn man aber die
Reinkarnation für möglich hält, sieht es anders aus. Wenn Menschen viele
frühere Leben hatten, werden auch viele der “suggestiven Vorgabe” entsprechende
ähnliche Erlebnisse in irgendeiner Vergangenheit auch tatsächlich gehabt haben.
Das ist rein statistisch gesehen ziemlich wahrscheinlich. Die “Suggestion” bewirkt
in dem Fall nicht viel mehr, als das Erlebnis zu einer solchen Vergangenheit
hinzuzusteuern, eher als zu einer anderen Vergangenheit. Einfach nur eine
thematische Vorgabe. Auch hier liegt eine tendenziöse und subjektive Auswertung
vor, in der man von dem, ausgeht, was man erwiesen haben will. So, wie man tatsächliche Therapieerfolge nicht gelten
lassen will, behauptet man auch, dass es keine verifizierten
Reinkarnationserfahrungen gäbe. Wenn das nicht gelogen ist, ist es eine
gefährliche Ignoranz. Es gibt in der Literatur eine ganze Reihe von bestätigten
Fällen, die man aber lieber verschweigt [3]. “Auf
Geheiß verwandeln sie sich in Jesus oder Napoleon, Helmut Kohl oder Marilyn
Monroe. Denn Hypnose enthemmt die Fantasie ... Da identifizieren sich mehrere
Klienten, zutiefst überzeugt, mit ein und derselben historischen Gestalt; da
entdeckt ein Zurückgeführter bei verschiedenen Sitzungen mehrere Vorleben, die
er in dieselbe Zeit datiert ... ; da bricht aus ihm ein ,früheres Selbst’ heraus,
das nachweislich noch lebt; da berichtet er über technische Errungenschaften,
die es zu Lebzeiten ,seiner’ früheren Inkarnation noch gar nicht gab, bringt
bekannte historische Abläufe durcheinander, nennt fiktive Ortschaften, Länder
und Personen, produziert selbstsicher ,unmögliche’ Geschichtsdaten ... Unter
Dutzenden von voluminösen Praxisberichten, mit denen Reinkarnationstherapeuten
seit drei Jahrzehnten auf den Buchmarkt drängen, kenne ich keinen Einzigen, der
solche Pannen auch nur in Fußnoten zugäbe.” [4] Kein Wunder, dass Reinkarnationstherapeuten solche
“Pannen” der genannten Art nicht zugeben, denn in einer seriösen
Reinkarnationstherapie gibt es sie nicht! Diese Geschichten sind
Erfindungen und Fantasien der Gegner. Sie basieren auf tendenziösen
Experimenten unter Hypnose, in welchen man solche Erscheinungen absichtlich
provozierte, um damit die Reinkarnationstherapie in der eigenen Fantasie
zu “widerlegen” und sie als unglaubwürdig darzustellen. Hier handelt es sich
wirklich um Tricks wie solche von Jahrmarkthypnotiseuren, die z.B. Menschen
glauben lassen, sie seien ein Kaninchen oder ein Frosch, oder dass die Zitrone,
in die sie hineinbeißen, ein süßer Pfirsich sei. Erstens beweist es nichts gegen
die Reinkarnationstherapie, dass man solche Fälschungen mit Absicht
provozieren kann, zweitens wird die große Mehrzahl der seriösen Rückführungen
heute ohne Hypnose durchgeführt. In meiner über 25-jährigen Erfahrung mit
Rückführung und Reinkarnationstherapie habe ich nie so etwas erlebt! Das
Einzige, was – sehr selten! – vorkommen kann, ist, dass eine Person sich mit
einer historisch bekannten Person identifiziert, aber sie war in Wirklichkeit
eine Person in dessen Umkreis. Wenn sie meinen sollte, etwa Sokrates gewesen zu
sein, stellt sich heraus, dass sie in Wirklichkeit einer seiner Schüler oder
Zuhörer war, oder auch der Nachbar. Kannte man, da man zu dessen Umkreis
gehörte, die historisch bekannte Person gut, kann es geschehen, dass man unbewusst
die Identifikation mit jener Person sucht [5,6]. Diese kann auch zunächst
gelingen, bis sich bei näherer Untersuchung ein anderer Sachverhalt ergibt. In einem meiner Fälle erlebte sich eine Person zuerst
als eine französische Prinzessin, bis sie zugeben musste, in Wirklichkeit ihre
Kammerzofe gewesen zu sein. In einem anderen Fall behauptete die Klientin,
Paracelsus gewesen zu sein. Sie musste aber schließlich einsehen, dass sie ein
mittelalterlicher Arzt war, der sich gut in den Schriften des Paracelsus auskannte
und danach arbeitete. Paracelsus selbst war sie aber nicht. Es kann auch vorkommen, dass man unbewusst das
heutige Schulwissen über jene Zeitperiode ins erlebte Geschehen hineinfunken
lässt, dass man zwei ähnliche Leben durcheinanderbringt, dass man für das
heutige Ich wohlbekannte Dinge in eine Zeitperiode hineinprojiziert, dass man
Daten durcheinanderbringt, dass man einen Ortsnamen mit einem ähnlich lautenden
verwechselt, den man heute kennt, u.s.w., ohne dass damit das erlebte Geschehen
an sich falsch sein muss. Es sind dann nur gewisse Einzelheiten im Geschehen
falsch oder ungenau, nicht mehr. Zum Beispiel reiste eine Person im 18. Jahrhundert mit
dem Zug von London nach Wien. In Wirklichkeit war es (außer natürlich bei der
Überschiffung) mit einer Kutsche. Warum ein Zug? Die Antwort aus ihrem
unbewussten Ich: “Ich hatte keine Lust, die lange und mühsame Reise mit der
Kutsche wieder zu erleben”. Wahre Pannen sind aber, wenn Auswerter solche
Möglichkeiten übersehen und den zunächst georteten Fehler als “gefundenes
Fressen” sofort ausschlachten, ohne die Sache näher zu untersuchen. Das
Letztere möchten sie wohl aber nicht gerne, denn dabei könnte etwas für sie
unerwünschtes herauskommen … der vermeintliche “Fehler” passt ihnen ja zu gut
ins Konzept, und es soll lieber dabei bleiben … (vgl. Are Facts Important to a Soul? und dazu
ergänzende Kommentare). Man merkt oft ziemlich deutlich, dass wenn man nach
Daten (wann?, wo?, wer?, wie?) fragt, die Antwort ein wenig unwirsch kommt.
Solche Daten sind für die seelische Ebene der Person unwichtig und uninteressant.
Für die Seele ist nur wichtig, was erlebt wurde, weshalb, und was für
Folgen und Nachwirkungen dies später – bis heute – hat. Wichtig sind Gefühle
und immaterielle seelische Zusammenhänge. Materielle Aspekte und Zusammenhänge
gehören eher zum körperlichen Bereich und sind für die Seele zweitrangig. Weitere Beispiele von Überlegungen, die mehr oder
weniger den Charakter von Zirkelbeweisen haben, sind hier zu finden. Richard
Wiseman Der
britische Psychologe Richard Wiseman hat einen “Gegenbeweis” gegen
das Erleben früherer Leben in Rückführungen vorgelegt, sowie gegen angebliche
Erinnerungen kleiner Kinder an eine Vorexistenz. Seine These ist: Wenn man nur
lange genug sucht, wird man schließlich eine wirkliche Geschichte finden, die
zur Erzählung des sich “Erinnernden” passt. Die Übereinstimmung sei deshalb nur
zufällig und beweise nichts. In einer Fernsehsendung (die auch im deutschen
Fernsehen gezeigt wurde) führte er Folgendes vor. Ein Mädchen erinnerte sich
daran, ebenfalls als kleines Mädchen von “Monstern” weggeraubt geworden zu sein.
Man habe ihr “sehr böse Dinge” angetan und sie getötet. Man fand dann einen
Zeitungsbericht über einen Fall in Südengland, der sich mehrere Jahre zuvor
zugetragen hatte. Ein kleines Mädchen wurde entführt, vergewaltigt und dann
getötet. Die Umstände passten weitgehend zur Erzählung des Mädchens. Das sei
eben eine Zufalls-Übereinstimmung und das Ganze habe deshalb gar nichts mit
Reinkarnation zu tun. Eine Textdarstellung des “Experiments” von Wiseman
konnte ich im Internet nicht finden, wohl aber mehrere Kommentare zur
Fernsehsendung, die demnach viele gesehen haben. Wiederum sehen wir den Zirkelbeweis: Es
gibt keine früheren Leben – deshalb muss die Übereinstimmung zufällig sein –
deshalb kann es keine Erinnerung an ein früheres Dasein gewesen sein. Das
seriöse Prüfen von Hypothesen verlangt
selbstverständlich – als ethische und logische Grundregel – dass beide
Alternativen gleichermaßen in Betracht genommen werden: 1. Die Hypothese ist
richtig, 2. sie ist falsch. Es muss also eingehend untersucht werden, wie ein
Versuchsergebnis zu verstehen sei, sowohl im einen wie auch im anderen Fall.
Dann kann eine Auswertung der Gegenüberstellung dieser zwei Fällen analysiert
werden. Diejenige, welche sich mit Erinnerungen an frühere Leben befassen,
untersuchen es nur (oder fast nur) nach der einen Alternative: “Es gibt
keine Reinkarnation”. Sie nehmen nicht oder kaum in Betracht, wie es aussähe,
wenn es sie gäbe. In Wisemans Fall sähe die Gegenalternative so aus:
Angenommen, dass es die Reinkarnation gibt, muss der tatsächliche Fall als Indiz
(nicht Beweis!) dafür gewertet werden, dass die Erinnerung des heutigen
Mädchens echt sein könnte. Es besteht demnach die Möglichkeit, dass sie
eine Reinkarnation jenes entführten Mädchens ist. Wiseman hat also etwas getan, was er nicht wollte und
was er bestreitet: Ein Indiz für die Möglichkeit gebracht, dass es sich
wirklich um einen Reinkarnationsfall handeln könnte. Das sieht nicht sehr nach einem “weisen
Mann” aus ... Die
“christliche” Haltung Eine
andere vorgefasste Meinung ist, dass die Bibel in der offiziellen Auslegung und
Deutung der Kirche die absolute Wahrheit ist. Es handele sich ja um Gottes
unfehlbares Wort. Und das, obwohl erwiesenermaßen menschliche Irrtümer,
Steuerungsbemühungen und Missverständnisse stark “hineingepfuscht” haben. Es
gibt eine Vielzahl von älteren und neueren Bibelübersetzungen, die sich an
manchen Stellen auffallend unterscheiden, und nimmt man im Vergleich auch
anderssprachige Übersetzungen hinzu, werden die Unterschiede nur noch mehr und größer.
Ein Verfasser hat sich mit Übersetzungen aus dem Alten Testament befasst und
fand an verschiedenen Stellen bis zu 50 unterschiedliche Übersetzungen [7]!
Gottes Wort wurde durch viele menschliche Egos gefiltert um, göttlicher als
Gott, ein selbstgestricktes Christentum zu basteln. In ähnlicher Weise wie beim schulwissenschaftlichen
Weltbild geht man in der Überlegung von einer selbstanerkannten Bibelversion
aus, meistens eine der (von Zeit zu Zeit auch unterschiedlichen!) vom
kirchlichen Dogma genehmigten, um dann zu einem Ergebnis zu kommen, wodurch man
diese Bibelversion als die einzige richtige bestätigt sieht. Ähnliches
kann man natürlich auch den Reinkarnationsgläubigen vorwerfen, und das wird
auch getan. Sie würden von einem falschen Verständnis der Texte ausgehen und
sie auf eine falsche Basis umdeuten. Egal wie solche Deutungen durch
verschiedene Fakten – v.a. sprachliche (alternative aber sprachlich gültige
Übersetzungsmöglichkeiten aus Hebräisch und Altgriechisch) – untermauerbar sein
mögen, lehnt man solche Deutungen pauschal und im Wesentlichen unbesehen ab und
sieht den Balken im eigenen Auge nicht. So nimmt man das Bibelzitat “Und wie den Menschen ist
gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht” (Hebr. 9:27) als den
konkreten “Beweis” dafür, dass es keine Reinkarnation geben könne – einmal
sterben, also auch nur einmal leben. Und wenn es keine Reinkarnation gibt,
stimmt auch die Bibelversion, worauf man sich stützt. Und das, obwohl das hier
aktuelle griechische Wort hapax ebenso gut mit “ein für alle Mal”, “ein
letztes Mal”, “wieder einmal” oder “irgend einmal” übersetzt werden kann (aber
nicht darf) … aber wer will davon etwas wissen … Jesus sagte über Johannes der Täufer: “Er ist Elias,
der da soll zukünftig sein” (Matth. 11:14) und “’… ich sage euch, dass Elias
schon gekommen ist …‘ Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes dem Täufer
zu ihnen gesprochen hatte” (Matth. 17:10-13). Das kann nun einmal wirklich als
ein wörtlicher Hinweis auf Reinkarnation gesehen werden, aber man bemüht sich
sehr, das Verständnis unter Hinweis auf “überschatten” und ähnliche Kunstgriffe
“zurechtzudrehen”. Ein besonderes Beispiel ist das Nikodemusgespräch.
Jesus sagte: “Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand
von Neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen”. Nikodemus
fragt ihn: “Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er
auch wiederum in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?” (Joh.
3:3-4, vgl. Joh. 3:7). Nikodemus versteht also nicht, dass es eine neue Mutter
sein müsste. In modernen Bibeltexten wird Jesus wie folgt zitiert: “… Es sei
denn, dass jemand von oben her geboren werde …”, was die Theologie wie folgt
erklären will. Das griechische Wort anothen bedeutet beides. Jesus soll
“von oben her” gemeint und Nikodemus ihn als “von Neuem” missverstanden haben.
Das ist ein offensichtlicher Unsinn, weil sie nicht Griechisch sprachen! Sie
sprachen Aramäisch! Die aramäische Sprache hat kein doppeldeutiges Wort, das
hier passen würde, aber ein eindeutiges Wort mille’ela, das “von oben her” bedeutet, und ein ebenfalls
eindeutiges Wort taneyanut, das “wieder, noch einmal, von Neuem”
bedeutet. Von einem Missverständnis kann also keine Rede sein und Nikodemus’
Antwort weist darauf hin, dass Jesus das letztere Wort verwendet hat. Man mag auch fragen, was wohl “von oben her geboren”
bedeutet. Sind etwa einige von uns “von unten her” geboren? Vielleicht sogar
einige hohe Kirchenleute …? Ein wenig später im Text folgt eine merkwürdige
Äußerung: “Der Wind bläset, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl; aber
du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fähret. Also ist
ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist” (Joh. 3:8). Wer kann das
verstehen? Das griechische Wort pneuma wurde hier zweierlei übersetzt,
erst als “Wind”, dann als “Geist”. Griechische Wörterbücher erklären uns, dass
die Übersetzung als “Geist” nur im “übertragenen Sinn” gilt. Die übliche
Bedeutung in theologischen Zusammenhängen ist aber “Lebenshauch” oder “Seele”,
das, was den Körper lebendig macht. Außerdem ist das Wort phoné nicht
gut mit “Sausen” übersetzt, sonder es bedeutet eher “Stimme”. Somit kommen wir
zur folgenden Übersetzung, die sprachlich richtig ist: “Die Seele geht, wie sie
will, und du hörst wohl ihr Flüstern; aber du weißt nicht, woher sie
kommt, noch wohin sie geht. So ist es mit jedem, der mit einer Seele geboren
ist”. Hier spricht demnach Jesus über die Vorexistenz der Seele, denn sie kommt
ja von irgendwo her, wo sie vor der Empfängnis war. Vorexistenz bedeutet nicht
automatisch Reinkarnation, aber Reinkarnation setzt Vorexistenz voraus. Diese Beispiele zeigen, wie
Übersetzungen oft nach dogmatischen Vorgaben gemacht werden, welche das
Verständnis in eine gewünschte Richtung steuern sollen, wodurch verdunkelt
wird, dass man es auch anders verstehen kann – aber das sollten wir nicht
wissen. “Nicht
zuletzt steht das gesamte esoterische Reinkarnations‑Konzept, nach dem
die Reinkarnation Erlösung bedeutet und die Einmaligkeit als auch die
Verantwortlichkeit des momentanen Lebens stark relativiert, in diametralem
Gegensatz zu der Bedeutung, die reinkarnationsgläubige Kulturen der
Wiedergeburt zusprechen. Für Letztere ist die Reinkarnation die Hölle, also die
Strafe für ein falsch gelebtes Leben. Mit allen Mitteln gilt es darum, die
eigene Wiedergeburt zu vermeiden” [2]. Trifft das zu? Erstens ist das moderne westliche
Reinkarnations-Konzept in dem Sinne nicht mehr “esoterisch”, als z.B. das der gnostischen
Urchristen. Die Auffassung ist in Wirklichkeit uralt, auch wenn manche Kulturen
es auch anders gesehen haben. Das momentane Leben bleibt an sich einmalig, fügt
sich aber in eine Kette von aufeinander folgenden Lebenserlebnissen der Seele,
woran sie wächst und reift. Die Reinkarnation als Hölle und Strafe aufzufassen,
ist eine einseitige Betrachtung und dadurch ein Irrtum. Dass das Karma auch
dazu führt (siehe diesen Text), als eine lehrreiche
Lektion – und nicht als Strafe! – z.B. auch das an der eigenen Haut erleben zu
müssen, was man anderen zugefügt hat, kann schon eine einzelne Inkarnation in
gewisser Hinsicht wie eine Hölle aussehen lassen. Damit ist sie aber aus dem Zusammenhang
herausgegriffen. Es ist schon wahr, dass das Ziel ist, nicht mehr inkarnieren
zu müssen, und das ist auch das Endergebnis einer Reinkarnationsfolge, die wie
eine Jakobs-Leiter stufenweise zur göttlichen Lichtwelt zurückführt – das
endgültige Auferstehen. Dieses Ziel erreichen wir alle einmal, wenn wir aus
unseren Erfahrungen und Lektionen gelernt und die nötige Seelenreife erreicht
haben – es gibt keine ewige Verdammnis. Manche Seelen gehen aber Irr- und
Umwege zu diesem Ziel hin und brauchen dadurch um so länger, aber auch sie
kommen dorthin.
Und sollte die Reinkarnation wirklich eine Hölle sein: Das
Kirchendogma lehrt doch, dass eine solche gibt! Dann ist es wohl gerade die
karmisch belasteten Inkarnationen, um die es da geht! So schließt sich doch hier
der Kreis ...
Abgesehen davon, dass es auch positives Karma und damit auch
schöne Reinkarnationen gibt ... Weitere theologische Kommentare
Referenzen
Zirkelschlüsse
Fantasien der Rückführungsgegner. Was beweisen provozierte Pannen?
Weitere theologische Kommentare
Referenzen
vgl. auch: Robert L. Snow: Als ich Carrol Beckwith war. Spurensuche einer Reinkarnation,
Wilhelm Heyne, München, 2000;
und:
Bruce Goldberg: The Search for Grace, Llewellyn, St. Paul MN,
1997,
womit nur einige Beispiele erwähnt sind.